Die Ehe – ein Auslaufmodell?


    Mit spitzer Feder …


    (Bild: zVg)

    Bereits mit sechs Jahren wusste ich: Ich werde nie heiraten. Nun, ich hatte nicht gerade gute Vorbilder. Als ein liberaler, kinderloser Freigeist sträubt sich alles in mir, einen solchen Vertrag einzugehen und sich in solche Abhängigkeit zu begeben. Liebe und Geborgenheit kann ich mir selber geben und ich benötige niemanden, der mich vergöttert und mir einen Ring an den Finger steckt, der mich immer daran erinnert, dass ich ja eigentlich ein Versprechen mit Verpflichtungen abgegeben habe, die ich vielleicht gar nicht einhalten kann – denn das Leben ist oftmals unberechenbar. Ein Grund, um zu heiraten, ist für mich, wenn ein Paar gemeinsam Kinder adoptieren möchte. Zur wirtschaftlichen Absicherung von Hausmännern oder Hausfrauen ist die Ehe seit einem Bundesgerichtsurteil von Anfang dieses Jahres nicht mehr geeignet. Der Zuhausegebliebene hat keinen Anspruch mehr auf den Erhalt des ehelichen Lebensstandards: Zudem gibt es viele Leute, für die die Ehe ein Verlustgeschäft ist, Stichwort «Heiratsstrafe» bei Bundessteuern und der AHV.

    Sicher – die Ehe hat eine lange Geschichte und Tradition. Früher liess sie sich damit begründen, dass sie für stabile Verhältnisse sorgte und die Sexualität in geordneten Bahnen lenkte. Die Ehe sei die Verbindung zweier Personen «zum wechselseitigen Besitz ihrer Geschlechtseigenschaften», meinte vor mehr als zweihundert Jahren, ganz nüchtern, Immanuel Kant. Die Ehe war der sichere Raum, um Nachwuchs zu zeugen und aufzuziehen. Dabei war der Mann der Ernährer, der für die Familie zu sorgen hatte. Heute lässt sich die Ehe nicht mehr auf diese Weise legitimeren. Der Mann ist definitiv nicht mehr der Ernährer der Frau. Für Kinder spielt es rechtlich gesehen keine Rolle, welchen Zivilstand ihre Eltern haben, eheliche und uneheliche Kinder sind einander gleichgestellt. Für ein Leben in Liebe ist keine staatliche Anerkennung nötig, das Zusammenleben der Paare und die Vorsorge lassen sich auch durch private Abmachungen regeln. Und bei Steuern und Sozialversicherungen wäre es ohnehin sinnvoller, man würde nicht am Zivilstand, sondern am Vorhandensein von Kindern anknüpfen – denn anders als bloss Eheschluss beeinflussen Kinder die Lebensgestaltung und Leistungsfähigkeit eines Paares tatsächlich. Historisch gesehen ist die Ehe vor allem eins: Eine wirtschaftliche Vereinbarung. Die Liebesheirat gibt es erst seit etwa 150 Jahren. Im Zuge der Industrialisierung verlor die Ehe als wirtschaftliches Arrangement ihre gesellschaftliche Relevanz. Um die Institution weiter attraktiv zu halten, fingen Menschen an, von Liebe zu sprechen. Die Ehe wird oft dann zum Problem, wenn sie geschieden werden soll – vor allem für Frauen. Die Frau gibt ihre Identität auf und wechselt zum «Stamm» des Mannes.

    Klar ist: Heiraten ist eine paradoxe Sache geworden. Die Brautleute geloben einander zwar ewige Liebe, Treue und Beistand, gleichzeitig wissen sie aber, dass sie eigentlich nicht aufeinander zählen können. Zusammen Pläne schmieden ist gut, die eigenen finanziellen und beruflichen Interessen im Blick haben ist besser. Das Ich zählt mehr als das Wir. Ich würde sogar meinen, dass der von Heiratswilligen meistgenannte Grund für eine Ehe der schlechteste ist, nämlich: Liebe. Eine Ehe ist vor allem eins: ein Vertrag, der zwei Menschen dem Staat gegenüber verpflichtet, Verantwortung füreinander zu tragen. Und ein Vertrag ist nun wirklich alles andere als romantisch. Es ist aber gerade diese Romantisierung, die tabuisiert, dass wir Probleme, die mit der Institution Ehe zusammenhängen, ansprechen und schliesslich lösen können.

    Soll man die Ehe abschaffen? Wäre ich Königin, ich würde es sofort tun, es wäre ehrlicher. Der Gedanke mag für einige reizvoll sein, doch letztlich ist er Spielerei. Denn die Ehe ist nach wie vor das bevorzugte Lebensmodell und jetzt da die Homo-Ehe Realität ist, voll im Trend. Für die meisten jungen Frauen und Männer ist das Jawort im Leben fest eingeplant, man will sich verlieben, verloben und verheiraten – auch wenn die Scheidungsrate bei 40 Prozent liegt. Inhaltlich verliert die Ehe zwar mehr und mehr an Bedeutung und auch rechtlich spielt sie voraussichtlich nur noch eine ungeordnete Rolle. Doch als Symbol für Romantiker, die auf die Ewigkeit schwören und der ganzen Welt ihre Verbundenheit zeigen wollen, ist sie nicht wegzudenken.

    Herzlichst,
    Ihre Corinne Remund
    Verlagsredaktorin

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